Mittwoch, 22. April 2009

Desinteressiert oder desillusioniert?

Ich habe diese Semester ein ziemlich cooles Proseminar mit dem Titel “Der Kalte Krieg: Totalitärer Kommunismus und imperialer Kapitalismus im Kampf um die globale Vorherrschaft.“ Wie immer wenn man vom Kalten Krieg spricht kommt man nicht um den Vietnamkrieg herum. Wenn man sich mit dem Vietnamkrieg befasst ist auch meistens der Protest gegen diesen Krieg ein Thema. Es ist wiederum Logisch, dass man den Widerstand gegen den Vietnamkrieg mit dem gegen den Irakkrieg vergleicht. Die Frage meines Dozenten war nun, wieso der Vietnamkrieg einen langanhaltenden Sturm der Entrüstung ausgelöst hat und beim Irakkrieg, nur vor dem Ausbruch und zu Beginn des Krieges, im grossen Stile gegen diesen Protestiert wurde. Zudem warf er die Frage auf, wieso sich Niemand an der Intervention in Afghanistan stört. Was ist der Unterschied zwischen der Jugend ende der Sechziger und der heutigen Jugend? Ich denke, es sind, wie immer, verschiedene Faktoren die zusammen spielen.
Einige dieser Faktoren versuche ich nun aufzugreifen, ich bin im übrigen froh, wenn ich korrigiert und/oder ergänzt werde.

1.Die Berichterstattung. Es gibt eine unbeschreibliche Fülle an Bild- und Filmmaterial vom Irak- wie auch Afghanistanfeldzug. Diese Quellen unterscheiden sich aber markant von den Bilddokumenten aus dem Vietnamkrieg. Während des Vietnamkrieges wurden schonungslose Bilder vom Grauen des Krieges gezeigt. Heutzutage vernimmt man die Meldung: Bombenanschlag auf Marktplatz in Bagdad, 45 Tote! Die Bilder die wir dazu geliefert bekommen, sind immer etwa die Selben; ein oder mehrere ausgebrannte Autos, eine Person mit einem blutüberströmten Gesicht, die in die Ambulanz verfrachtet wird, und zum Schluss umgeworfene Marktstände mit einer Blutlache daneben. Die beschriebenen Bilder sind zwar auch schockierend, zeigen aber dadurch, dass wir sie schon sehr oft gesehen haben, nicht die gleiche Wirkung wie etwa Bilder die nach dem Bekanntwerden vom Massaker von My Lai veröffentlicht wurden. Zudem sieht man nie amerikanische Soldaten in Aktion. Ich weiss, dass viele Leute dass Gefühl haben, wir seine umzingelt von medialer Gewalt, vor allem auch durch die Nachrichten im Fernsehen. Ich möchte dem entschieden widersprechen. Von Gewalt wird zwar gesprochen, die Auswirkungen werden aber nicht im vollen Umfang gezeigt und dies führt meiner Meinung nach, zu einem verzerrten und verharmlosten Bild des Krieges.

2.Der Gegner. Der Gegner in Vietnam waren die Vietcong, eine Guerillaorganisation zur Befreiung Südvietnams. Nun kann man sich sagen, ja das ist ihr Recht, dass sie für ihre Selbstbestimmung kämpfen. Der Gegner in Irak und Afghanistan: Der internationale Terrorismus! Wer gehört dem an? Prinzipiell nur Moslems und was wissen die meisten Leute im Westen von Moslems? Ganz viel, z.B: Sie verhüllen, schlagen und steinigen ihre Frauen, hassen Schwule, sprengen sich für ihre Religion in die Luft, jeder hat eine Kalaschnikow zu hause stehen, lehnen alles was mit dem Westen nur im entferntesten zu tun hat ab, wollen uns durch Minarette kolonisieren und bekehren, sind im Allgemeinen gewalttätiger als wir und stehen für alles was undemokratisch und intolerant ist. Man sieht also, Antiislamismus verträgt sich super mit dem Gedanken, ich bin Tolerant, die Anderen einfach nicht! Wieso sollte man also auf die Strasse und gegen diesen Krieg demonstrieren.

3.Desinteresse. Ein Krieg verliert nach 6, respektive 7 ½ Jahren an Attraktivität, man hat sich an ihn gewöhnt und die meisten haben auch nicht dass Gefühl dass im Irak und in Afghanistan noch Kriegszustand herrscht und eine Besatzungsmacht die Geschicke dieser Staaten kontrolliert. Fragt man z.B einen Deutschen, Kanadier, Italiener oder Niederländer, ist dein Land momentan im Krieg? wird er diese Frage verneinen, die Bundeswehr (oder ihr kanadisches, usw. Pendant) ist lediglich am Wiederaufbau in Afghanistan beteiligt. Wieso gegen eine Krieg protestieren wenn es keinen gibt?

4.Desillusionierung. Was kann man gegen die USA oder die Mächtigen dieser Welt ausrichten, wenn man eine Demonstration veranstaltet. Bleibt die Demo friedlich, schreibt keine Zeitung darüber, werden Steine geworfen ist dies das einzig erwähnenswerte. Demonstrationen haben Wirksamkeit verloren. Dazu kommt dass sich viele denken, dass man als einzelner nicht viel ausrichten kann.

5.Andere ökonomische Bedingungen. Die Wirtschaft florierte in den sechziger Jahren in Westeuropa, bis zur Ölkrise. Momentan wird einem dermassen eingeschärft, dass wir in einer Krise stecken, dass man sich besser darum kümmert einen guten Job zu bekommen, als sich mit politischen Aktionen rumzuschlagen. Dazu kommt, dass man in den Sechziger in der Schweiz als Jugendlicher keine Sorgen machen musste, eine Lehrstelle oder ein Stelle nach dem Studium zu erhalten. Heutzutage ist das definitiv anders, gerade die Altersgruppe mit dem höchsten kritischen Potential, stellt die meisten Arbeitslosen. Da ist es nicht erstaunlich, dass man seine Energie in erster Linie für die Sicherung der eigenen Existenz einsetzt.

Das sind aus meiner Sicht die entscheidenden Faktoren, die unsere Protestunwilligkeit zeigen sollen. Ich will damit meine Generation nicht in Schutz nehmen, sondern versuchen, Erklärungen für unsere Trägheit zu finden.
So und jetzt höre ich auf zu Predigen ☺

4 Kommentare:

  1. Wirklich interessant deine Zusammenstellung. Punkt 1 bis 4 sind top shit.
    Ich kann dir leider aber in Pukt 5 nicht ganz zustimmen, persönliche Zukunftsunsicherheiten sehe ich nicht wirklich als Protestunwilligkeitsgrund. Im Gegenteil, es gibt eher grösseren Ansporn für Unzufriedenheit gegen Obrigkeit.

    Der wohl wichtigste Punkt ist das Desintresse. Wieo sollte ich so ein Schweres Plakat tragen? Jemand anderes regelt das schon. He,Boris, nimmst du auch noch ein Bier?

    Sparky

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  2. Ich bin grundsätzlich auch mit den meisten Punkten einverstanden, würde aber gern anmerken:
    1.) Manipulation der Medien gab es während dem Vietnamkrieg wie auch heute. Wir sehen nicht, was passiert - sondern eine mediale Präsentation einiger selektiver Ereignisse.
    2.) Die Situation ist ja tatsächlich eine etwas andere. "Gegner" ist ein kritischer Begriff - aber während es beim Vietnamkrieg irgendwie keinen Gegner (oder nur einen abwesenden) gab, kann man mit dem offiziellen Gegner (den Taliban respektive dem Regime Husseins) nicht viel Sympathie empfinden, auch wenn man ein differenziertes Bild vom Islam hat.
    4.) Das ist für mich der entscheidende Punkt - man kann gegen nichts protestieren. Die kapitalistische Ordnung ist nicht angreifbar - was während des Vietnamkriegs noch nicht so offensichtlich war, der Protest war ja auch ein Protest gegen die Kommerzialisierung und Amerikanisierung Europas. Aber auch dieser Prozess konnte der Kapitalismus in sich aufnehmen - so dass heute entweder Polizisten oder medial aufgeblasene Strohmänner wie »Investmentbanker« noch auf Widerstand treffen, es wirkliche Verantwortliche eigentlich gar nicht gibt. Bequemlichkeit heißt dann eigentlich zwei Dinge: Ich weiss nicht, was ich überhaupt tun könnte, um etwas zu verändern (»yes we can« ist ja die leerste Formel, die man sich vorstellen kann, und eben deshalb so erfolgreich), und ich müsste eigentlich mit mir selber anfangen, denn so lange ich gerne ein BMW-Cabrio fahren würde, nach Ägypten in die Ferien fliege und "24" schaue, so lange ist es relativ heikel, etwas gegen den Irakkrieg zu unternehmen.

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  3. Wie erwartet, ein weiterer interessanter Blogeintrag. Möchte aber noch was zum Thema Medien hinzufügen. Ich bin mir nämlich nicht sicher ob man den Medien (bedinungslos) die Schuld an dieser "Verharmlosung" in die Schuhe schieben darf. Die Medien passen sich der Gesellschaft an. Gerade nach dem Vietnamkrieg wurden die grösseren Medienhäuser massal angegriffen da sie zu blutige Bilder zeigten. Die Leute zappten bei Berichterstattungen weg, da sie es nicht mehr sehen konnten. Nach dem zweiten Golfkrieg wiederum, verloren die Leute das Interesse, da sie zu WENIG zu sehen bekamen (vorallem wegen dem Märchen des 'sauberen Krieges' und der intelligenten Bombe).
    Grundsätzlich sind die Medien daran interessiert, die Leute so lange wie möglich für ein Thema zu interessieren. Die Macht der Medien ist meiner Meinung nach begrenzter als wir glauben. Menschen sehen sich nur das an, was sie sehen wollen und die Medien müssen sich bis zu einem gewissen Grad danach richten. Erinnerst du dich noch daran dass die Weltwoche plötzlich von links nach rechts kippte, da lasen wir sie doch auch nicht mehr, oder?
    Versteh mich nicht falsch, ich bin auch der Meinug, dass Medien eine möglichst objektieve Berichterstattung anstreben- und nicht nur an die Einschaltquote denken sollten. Auch glaube ich, dass die Medien die Meinung des Volkes beeinflussen und auch änderen können. Aber sie müssen es so anpacken, dass die Leute auch dafür offenstehen und durch blutige Gräuelbilder wurde das bisher noch nicht erreicht.
    Ach ja, und zum Thema Amerikanische Truppen im Einsatz würde ich gerne mal kurz an die ‘Saving-Private- Lynch – Story’ erinnern. erst das hier:
    http://www.youtube.com/watch?v=77LWHHjVwao
    und dann diesen hier:
    http://www.youtube.com/watch?v=XgPtCILAae8

    hehe. traurige geschichte, das.

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  4. Danke für die Kommentare an euch drei. Sorry, dass es so lange dauert, bis ich zurückschreibe, bin noch immer Laptop los. Zu Steffi, ja mein Text sieht wirklich ein bisschen danach aus, als ob ich den Medien die Hauptschuld gebe. Die Medien können aber auch keine drasstischen Bilder mehr zeigen, dass hast du gut bemerkt. Es ist schon einige Male geschehen, dass sich äusserst brutale Bilder versehentlich in die Nachrichten geschlichen haben, was eine Sturm der Entrüstung der Zuschauer verursacht. Ich denke auch nicht dass eine Bombardierung mit Bilder von Gräueltaten etwas nützen würde. Ich bin selbst noch zu keinem Schluss gekommen wie man eine Krieg journalistisch am besten Gerecht wird.

    Zu Philippe:Mein Punkt mit der Darstellung des Krieges war nicht, darauf hinzuweisen, dass heute die Medien mehr manipuliert werden als früher, sondern, dass die Bilder aus Vietnam grausamer waren. Da kommt dann Steffis Argument mit den Median als Spiegel der Gesellschaft ins Spiel, dass es nicht mehr gewünscht wird solche Bilder zu sehen.
    Ihr seht also, dass ich die Rolle der Medien in einem Krieg ein äusserst interessantes Thema finde.

    Zu Lark: Ich denke, dass schlechte Zunkunftsausichten durchaus dazu beitragen, sich nicht für Anliegen einzusetzen, die einen nicht selbst betreffen. Den angesprochenen Ansporn zum Protest, denke ich, tritt erst auf, wenn ich konsequente Ablehnung erfahre, also wenn sich die schlechten Zukunftsausichten auch bewahrheitet haben.(Vielleicht ein bisschen ein einfacher Schluss)

    So nochmals danke vielmals für eure Komentare und bald bin ich wieder mit Laptop unterwegs!

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